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Markus Reithofer
Autor: Markus Reithofer
markus.reithofer@motorrad-magazin.at
19.8.2024

Yamaha Tracer 9 GT+ TestLeichter Luxus

Kaum eine andere Modellgruppe war und ist in der Geschichte von Yamaha so erfolgreich wie die Zwei- und Dreizylinder der MT-Reihe. Die Crossplane-Motoren auf Basis der MT-07 und MT-09 wurden 2014 eingeführt, danach schrittweise weiterentwickelt und haben ihren Weg von reinen Nakedbikes bis zu den tourentauglichen Tracer-Modellen gefunden. Für diese Hubraumklasse sind sie mit ihrem breiten Drehmomentband und einer vergleichsweise kurzen Endübersetzung für flotten Durchzug und sehr gute Beschleunigungswerte bekannt.

Es bleibt subjektiv, ab wann man ein Motorrad eher in die Kategorie Crossover oder Touring einordnet und jeder Hersteller hat dafür seine eigenen Rezepte. Bei Yamaha verweist der Zusatz GT auf Gran Turismo und untermauert das mit serienmäßigem Gepäcksystem und hoher Verkleidungsscheibe. Davon unbeeindruckt behalten alle Tracer-Modelle ihre MT-Gene, sind also kurz, schmal und handlich. Damit versuchen sie eine Spreizung zwischen Sport und Touring, ohne in den Fettnapf der altbekannt schwerfälligen Sporttourer zu treten.

Interessant ist, dass Yamaha schon lange keine richtig großen Tourer – übrigens auch keine schweren Adventurebikes – baut. Das ist natürlich kein Zufall und kann als eine Fokussierung auf schlanke Sportlichkeit verstanden werden, die sich quer durch die ganze Modellpalette zieht. Insofern zeigt Yamaha bei genauerem Hinsehen interessante Parallelen zum Credo von KTM.

Auch bei der Tracer 9 GT mit dem „Plus“ ist dieses Prinzip konsequent umgesetzt. Während uns praktisch alle anderen Hersteller in ihrer jeweiligen Oberliga mit immer größeren Hubräumen auf die Reise schicken, genügen hier weiterhin 890 Kubikzentimeter, die sich auf drei Zylinder verteilen und 119 PS leisten. Außerdem gibt es für die Reiseklasse  federleichte 223 Kilo vollgetankt und einen Radstand von nur 1500 Millimeter.

Ist das für ein vollwertiges Reisemotorrad zu leicht? Jedenfalls nicht, wenn es um die Zuladung geht. 414 Kilo darf man mit ihr voll beladen auf die Waage stellen, also inklusive zwei Personen und Gepäck 191 Kilo drauf packen. Wir verweisen auf Touring-Motorräder, bei denen schon das Leergewicht nicht weit vom höchstzulässigen Gesamtgewicht der Tracer 9 GT+ entfernt ist.

Nehmen wir Platz. Schon beim Einklappen des Seitenständers oder des serienmäßigen Hauptständers fällt ihre für einen Tourer leichtfüßige Handhabung auf. Kein schwerfälliges Herumwuchten, sondern vergleichbar mit dem, was man vom sportlichen Nakedbike MT-09 gewohnt ist. Nur eben mit einer vollständigen Reiseausstattung und außergewöhnlichen Technik-Features wie die radargestützte Kombibremse und der adaptive Tempomat (ACC).

Adaptiv ist auch das Kurvenlicht mit LED-Scheinwerfern, das vorne und hinten semiaktive Fahrwerk und eine umfassende Suite an Fahrassistenzsystemen. Schräglagenabhängige Traktionskontrolle und ABS, eine Wheelie-Kontrolle und zahlreiche Fahrmodi gehören in der Oberklasse ja mittlerweile zum Standard. Das 7 Zoll-TFT-Display offeriert neben exzellentem Kontrast drei verschiedene Anzeigestile und bietet volle Smartphone-Konnektivität via Bluetooth. Anrufe, Musik, Benachrichtigungen und Wetterinfos werden direkt auf das Display übertragen, Textnachrichten sieht man aus Sicherheitsgründen allerdings nur im Stillstand.

Weniger erfreulich ist, dass man die Garmin Motorize App abonnieren muss, um direkt am Display ein vollständiges Karten-Navi genießen zu können. Rein technisch gäbe es mittlerweile eine Unzahl anderer, auch kostenloser Dienste, wodurch viele Fahrer am Ende doch wieder zur Navigation mit ihrer bevorzugten App am Smartphone greifen werden. Immerhin ist der elektrische Anschluss dank integrierter USB-Buchse kein Problem.

Die größte technische Innovation und damit der Joker im Ärmel der GT+ ist mit Sicherheit die adaptive Kombibremse. Die Idee dahinter ist simpel, aber die Umsetzung ein Kunststück: Damit der Tempomat einen konstanten Abstand zum vor der Yamaha fahrenden Fahrzeug halten kann, wird er von einem unter dem Scheinwerfer angebrachten Radarsystem permanent gemessen. Diese Information wird zusätzlich dafür verwendet, um in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit eine automatische Bremsung einzuleiten, wenn ein bestimmter Mindestabstand unterschritten wird.

Aber keine Angst – die Yamaha reißt einen nicht gleich mit einer Vollbremsung aus dem Sattel. Zuerst blinkt eine Warnleuchte auf, die auf den vom Cockpit aus einstellbaren Mindestabstand (vier Stufen) hinweist. Erst wenn der Fahrer daraufhin bremst und das System erkennt, dass sein Bremsdruck nicht ausreicht, um eine Kollision zu vermeiden, wird die Bremskraft automatisch erhöht. Dabei werden sowohl Vorder- als auch Hinterradbremse adaptiv betätigt, um die Verzögerung möglichst effizient und spurstabil umzusetzen.

Faktisch ist es also kein Kollisionsvermeidungssystem, wie man es von Autos kennt, sondern man entscheidet als Fahrer nach wie vor selbst, ob gebremst werden soll oder nicht. Aber wenn der Befehl zum Bremsen kommt – durch simples Betätigen des Bremshebels – kümmert sich die Elektronik darum, dass sie optimal abläuft. Zusätzlich werden die Daten der 6-Achsen-IMU verwendet, wodurch es auch in voller Schräglage oder bergab so perfekt funktioniert, wie es die Physik gerade noch zulässt. Damit nicht genug: Auch das semiaktive Fahrwerk beteiligt sich an der Optimierung der Bremsung, indem die Dämpfungswerte vorne und hinten in Abhängigkeit von der Verzögerung nachjustiert werden. Auch bei einer vom Fahrer kontrollierten Vollbremsung zeigen sich die Vorteile: Wir haben von 100 auf 0 km/h einen sensationellen Bestwert von 39 Metern Bremsweg geschafft.

Wie sich das fährt? Zunächst einmal sehr unauffällig. Wir hatten nie den Eindruck, auf irgendeine Art bevormundet zu werden. Erfahrene Piloten werden die Bremsunterstützung wahrscheinlich nie bemerken, weil sie ausreichend früh und intensiv bremsen. Trotzdem gibt es Situationen, wo man auch als Profi dankbar für dieses Sicherheitsplus ist. Etwa bei einem im Kolonnenverkehr plötzlich abbremsenden Auto oder einem über die Fahrbahn laufenden Reh.

Ohne Kritik bleibt die aktuelle EURO5+ Version des bewährten Dreizylinders mit seinem satten Durchzug und dem jederzeit verfügbaren und breiten Drehmoment-Plateau. 93 Newtonmeter und 119 PS sind natürlich nicht die brachialen Spitzenwerte großer Adventurebikes, aber ab 50 km/h lässt sich die Tracer 9 GT+ ruckelfrei im sechsten Gang beschleunigen. Entspanntes Cruisen zwischen Bundesstraßen und Ortsdurchfahrten geht damit im Prinzip ohne Schaltvorgänge. Falls man den Schalthebel doch betätigt, dann dank Quickshifter der mittlerweile dritten Generation ohne Kupplung. Das flutscht rauf und runter praktisch reibungslos und mit angenehm kurzen Schaltwegen. Und wenn es schnell gehen soll, packt die Tracer GT+ ihre MT09-Gene aus und beschleunigt beispielsweise von 0 auf 100 km/h in 3,3 Sekunden.

Genau dieser Mix ist es, der diesem Motorrad im besten Sinn des Wortes den Crossover-Stempel aufdrückt. Das gilt auch für ausgedehnte Reisen. Seitenkoffer, die Platz für je einen Vollvisierhelm bieten, Heizgriffe, Hauptständer, Komfortsitzbank und das während das Fahrt justierbare Windschild sind serienmäßig. Das relativiert auch den auf den ersten Blick für diese Hubraumklasse vielleicht ambitioniert wirkenden Preis von 18.699 Euro. Andere Hersteller locken vielleicht mit einem niedrigeren Basispreis, legen dann aber über die Zubehörliste kräftig nach. Wer nach einem smarten Reisegerät mit perfekter Technik und flinkem Handling sucht, bekommt mit der Yamaha Tracer 9 GT+ das derzeit wahrscheinlich beste Gesamtpaket.

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