BMW R 18 Transcontinental TestSchwertransport
In Zeiten, in denen die Welt immer düsterer zu werden scheint, tut ein bisschen Farbe ganz gut. Auch die Welt der nunmehr vierköpfigen R-18-Familie war bislang etwas finster, aber mit den neuen Farboptionen spiegelt sich ein Stück vom Regenbogen in den suppentellergroßen Zylinderkopfabdeckungen. Die auffälligste und aufwendigste Farbvariante nennt sich „Galaxy Dust metallic/Titan silber 2 metallic“ aus der exklusiven Option-719-Linie und kostet mehr Aufpreis als ein ganzes First-Edition-Paket: 2800 Euro nur für den Lack. Für rund 300er weniger gibt’s zwar nur die klassische schwarze Farbe mit weißen Zierstreifen, dafür einige schmucke Extras und die Welcome Box ausschließlich für Erstkunden. Doch schon die Serienausstattung kann sich sehen lassen.
Bei der Transcontinental schöpft BMW aus dem Vollen und garniert den mächtigen 1802-Kubik-Boxer mit einer kompletten Touring-Verkleidung samt Kurvenlicht und Zusatzscheinwerfern, Windabweisern über den Zylindern und ausklappbaren Flaps an der Gabel, zentralverriegeltem Kofferset, Trittbrettern mit Schaltwippe, Griff- und Sitzheizung und einem umfangreichen Elektronik-Paket. Die drei bekannten Fahrmodi Rain, Roll und Rock sind auch hier Standard, sowie die Stabilitätskontrolle ASC, die Motorschlupfregelung MSR und die Dynamic Cruise Control.
Letztere kann (voraussichtlich ab nächstem Frühjahr) zur Active Cruise Control erweitert werden, also dem Abstands-Tempomaten, der nicht nur die Entfernung zum voranfahrenden Fahrzeug konstant hält, sondern auch beim Bergabfahren ungewolltes Beschleunigen verhindert. Ein zweites Extra soll verhindern, dass nicht nichts geschieht, nämlich beim Rangieren am Parkplatz oder in der Garage. Denn selbst mit unbedingt empfohlenem äußerst griffigem Schuhwerk ist es schon bei der geringsten Neigung des Bodens kaum noch möglich, das Wohnmobil gegen das Gefälle zu schieben.
Wie bei der 400 Kilogramm schweren R 18 B ist auch hier die Rückfahrhilfe zwingend notwendig, zumal die Transcontinental um weitere zehn Prozent schwerer ist als die Bagger: Unglaubliche 441 Kilogramm zeigte die Waage bei unserem mit Zubehör bestückten Testmotorrad – unter anderem mit sechs Boxen der Marshall Gold Series –, so viel wie zwei R nineT und samt Fahrer über eine halbe Tonne. Zum Glück kommt die von einem Voll-Integral-ABS unterstützte Bremse auch mit diesem Koloss zurecht. Die Furcht vor der schieren Größe des Berliner Brockens wird man vielen damit leider nicht nehmen können.
Denn mit einer niedrigen Sitzhöhe von nur 740 Millimeter, dem tiefen Schwerpunkt des Boxermotors und einer bleiernen Balance ist die R 18 TC weniger kippelig als so manche hochbeinige Reiseenduro. Im Fahrbetrieb überrascht sie gar mit einer harmonischeren, neutraleren Dynamik als die Bagger und lässt sich mit unglaublich wenig Krafteinsatz durch die Kurven dirigieren. Nur in Spitzkehren nimmt man zwangsläufig den größtmöglichen Radius und sollte das beim Anvisieren der Kehre tunlichst bedenken, sonst steht man im Kurveneingang des Gegenverkehrs. Der kilometerlange Radstand und die bescheidene Schräglagenfreiheit setzen dem Umlegen eine frühe Grenze.
Zwar bewältigt das Reiseschiff unter kundiger Führung auch das Passklettern, genussvollem Cruisen über offene Landstraßen ist sie aber deutlich stärker zugetan. Dabei können Fahrer und Beifahrerin noch bei 100 Stundenkilometer den klaren Klängen aus den Lautsprechern horchen, die das Handy über die Connectivity des ultrabreiten TFT-Schirms in die Anlage speist, während man sich vom Navi den Weg weisen lässt. Am Sozius hat man es auf Tour besonders fein, mit breitem Sitzpolster, komfortabler Rückenlehne und separat regelbarer Sitzheizung. Am Ende des Tages schmerzt auch den Fahrer kein Gelenk, trotz der viel kritisierten erzwungenen Boxer-Sitzhaltung.
Der Windschutz ist natürlich der beste der R-18-Serie, dennoch bleibt der Wunsch nach einem elektrisch verstellbaren Windschild aufrecht. In Erfüllung ging jener nach einer Schaltwippe, sogar in verstellbarer Ausführung. Der gigantische Boxermotor schiebt die Fuhre wunderschön druckvoll und souverän voran, phasenweise drängen sich etwas zuviel dröhende Vibrationen in den Vordergrund, die aber bei moderaten Drehzahl in den Hintergrund sinken. Die beiden Seitenkoffer und das Topcase sind per Funkschlüssl zu ver- und entriegeln, notfalls ist auch das Sperren mit dem konventionellen Schlüssel möglich.
Während die Seitenkoffer etwas schmal gebaut sind, sollten im Topcase zwei Integralhelme Platz finden. Das ging sich für unsere beiden Exemplare in Größe L allerdings wegen der Marshall-Subwoofer haarscharf nicht aus. Trotzdem sollten 100 Liter Stauraum genügend Ladevolumen für ein langes Wochenende zu zweit bieten, denn je schwerer ein Motorrad, desto weiter sollte man damit fahren: Mit einem Verbrauch von 5,9 Litern blieb auch die Transcontinental sehr dicht an der Werksangabe und würde so über 400 Kilometer ohne Tankstopp auskommen.